Schlechtere Gesundheitsversorgung im Burgenland droht

Die künftige Landesstelle mit ihrem Landesstellenausschuss wird keine Vertragshoheit haben. Die regionale Ausgestaltung des Angebotsnetzes für die Versicherten durch Verträge mit Ärzten, Physiotherapieinstituten, Ergotherapeuten, Logopäden, Labors, MRT/CT-Instituten, Apotheken, Optikern, Hörgeräteakustikern, Bandagisten, Orthopädieschuhmachern, Hauskrankenpflegeanbietern etc. soll zukünftig von der Zentralstelle abhängig sein und nicht autonom durch die Landesstelle erfolgen.
Der Stellenplan für Ärzte, in dem festgelegt ist, wie viele Ärzte welcher Fachrichtung in welchen Regionen und Gemeinden Verträge bekommen, soll zukünftig nicht mehr auf der regionalen Ebene entschieden werden, sondern in der Zentrale in Wien. Über den Bedarf einer Landarztstelle soll nicht mehr durch die regional kompetente Landesstelle entschieden werden.
Burgenland ist in vielen Bereichen des ambulanten Gesundheitswesens sehr gut ausgestattet. Mit einer Nivellierung dieses Angebotes auf Bundeskennzahlen drohen Verschlechterungen für die Menschen in unserem Bundesland. Würde etwa die hausärztliche Versorgung im Burgenland auf den Österreichschnitt gesenkt werden, müssten 30 Hausarztstellen stillgelegt werden.
Selbst das Landezielsteuerungsübereinkommen zwischen Krankenkasse und Land, in dem die konkreten Ziele des regionalen Gesundheitswesens samt detaillierter Maßnahmen und Messgrößen für die einzelnen Landesteile festgelegt sind, darf künftig nicht autonom durch die Landesstelle, sondern nur mit Zustimmung der Zentrale der ÖGK in Wien abgeschlossen werden.
Viele Entscheidungen, die konkrete regionale Verhältnisse betreffen, sollen nicht subsidiär erfolgen, sondern zentralisiert und damit bürgerfern, weit weg von den unmittelbar Betroffenen.
Verlust an Kundennähe in den Regionen droht
Die Bundesregierung hat bekannt gegeben, in der Verwaltung der Sozialversicherungsträger in den kommenden fünf Jahren 10 Prozent des Personals und in zehn Jahren 30 Prozent des Personals einzusparen. Insgesamt soll bis 2023 eine Milliarde Euro in der "Verwaltung" eingespart werden. Für das Burgenland bedeutet das, dass in den kommenden Jahren das Netz an Service-Centern von Schließungen bedroht ist. (Vor allem die kleineren Dienststellen und jene mit einer "pensionsnahen" Belegschaft). Das bedeutet einen weiteren Abzug wichtiger öffentlicher Infrastruktur aus den peripheren Regionen und die Schwächung und Marginalisierung des ländlichen Raumes. Der Bevölkerung drohen vor allem weitere Anfahrtswege und längere Wartezeiten.
Eine jahrelange Nicht-Nachbesetzung von Personal bei der Krankenversicherung wird durch organisatorische Maßnahmen nicht zu kompensieren sein und daher zu einer Verschlechterung der Servicequalität für die Kunden führen. Konkret werden Bearbeitungszeiten länger und Serviceleistungen weniger. Gerade Serviceleistungen, die ausgebaut werden sollten, sind von Einschränkungen bedroht. Dies betrifft beispielsweise die Frühintervention nach 28 Tagen Arbeitsunfähigkeit ("early Intervention") , das "Case-Management" für Rehageldbezieher, die Beratung für das Kinderbetreuungsgeld oder die Betreuung der Firmen bei der Betrieblichen Gesundheitsförderung.
Kein finanzieller Gestaltungsspielraum der Landesstelle
Die künftige Landesstelle - vertreten durch einen "Landesstellenausschuss" - wird über keine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen. Sie wird daher auch keinen eigenen Rechnungsabschluss verantworten dürfen. Sie wird keine eigenen Beitragseinnahmen haben und folglich auch keine Rücklagen bilden können. Selbst die Beiträge - also rund 80 % der Einnahmen - sollen nur buchhalterisch den Ländern zugeordnet werden. Die restlichen 20 % verteilt jedenfalls die ÖGK - nach noch unbestimmten Kennzahlen. Damit verlieren die Länder die Einnahmenhoheit und werden von der Zentrale in Wien abhängig.
Keine Mitsprache von Entscheidungsträgern im Land
Da die zukünftige Landesstelle mit ihrem Landesstellenausschuss keine Budget-, Personal- und Vertragshoheit besitzen wird, fallen auch die für unser Bundesland wichtigen Entscheidungen durch den Verwaltungsrat der ÖGK in der Zentrale in Wien. Dieser besteht aus jeweils sechs Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, die entsprechend der bundesweiten Ergebnisse der AK- und WK-Wahlen nominiert werden. Die burgenländischen Entscheidungsträger werden in der sozialen Krankenversicherung keine ausschlaggebende Rolle spielen können. Wichtige Festlegungen für die burgenländische Bevölkerung und die regionale Wirtschaft werden zukünftig von Repräsentantinnen ohne regionale Kenntnis, ohne regionale demokratische Legitimation und ohne die daraus resultierende Verantwortung getroffen.
Verluste für die regionale Wirtschaft
Die Zuständigkeit für alle Verträge wandert zukünftig zur Zentralstelle. In Fällen, in denen derzeit eine freie, regionale Vergabe möglich ist, wird künftig bei bundesweiten Vertragsregimen die Direktvergabegrenze überschritten werden. Daraus folgen europaweite Ausschreibungen, die zu einem enormen Wertschöpfungsabfluss aus dem Burgenland führen. Es besteht die Gefahr, dass nur mehr wenige, große und meist ausländische Anbieter zum Zug kommen. Viele kleine Betriebe und regionale Versorger - und damit Arbeitsplätze im Ort - könnten in ihrer Existenz bedroht sein.